Ganz großer Auftritt für den digitalen

Zwilling

Applaus während eines Design Reviews – ein Erlebnis, dass man nicht alle Tage hat: „Genau das ist uns mit dem digitalen Zwilling von Siemens passiert“, bestätigt Maximilian Herrmann, Director Design bei Weckerle GmbH: „Da waren wir tatsächlich ein bisschen sprachlos – und stolz.“

Das ungewöhnliche Feedback hat sich, so Maximilian Herrmann, ganz spontan in einem Design Review ergeben: „Wir haben in diesem Meeting zum ersten Mal eine Anlagenlösung mit dem digitalen Zwilling von Siemens präsentiert. Zunächst hatten wir den digitalen Zwilling als Design Review Tool gedacht, aber wir haben schnell gesehen, dass wir damit viel mehr abbilden können. Unter anderem können wir die Softwareentwicklung zu einem deutlich früheren Zeitpunkt in der Projektphase starten. Damit schaffen wir eine komplett andere Qualität im Entwicklungsprozess und konnten beim Design Review bereits das komplette SPS Programm und ein fertiges HMI vorstellen – vorher nicht denkbar, da Elektrokonstruktion und Softwareentwicklung erst mit dem fertigen mechanischen Design starteten. Das hat unsere Projektpartner beim Kunden wirklich begeistert, da sie das in dieser Reife und diesem Detailgrad so noch nicht gesehen hatten.“

Weckerle GmbH: Kompetenz für Kosmetik

Die Weckerle GmbH wurde 1965 im oberbayrischen Weilheim von Peter Weckerle gegründet und entwickelte sich rasch von einer kleinen Werkstatt für Feinmechanik zu einem weltweit tätigen und führenden Unternehmen nicht nur im Bereich der Herstellung von Stift- und Tubenfüllmaschinen, sondern auch als Lohnhersteller mit umfassendem Full Service Angebot für die Farbkosmetik. Als weltweit erfolgreich agierendes und wachsendes Familienunternehmen in der Farbkosmetikbranche ist Weckerle in zwei Unternehmensbereiche unterteilt: Weckerle Cosmetics und Weckerle Machines. Weckerle Machines ist einer der Weltmarktführer für die Produktion innovativer Abfüllanlagen für die Kosmetikbranche.

Schneller zur fertigen Maschine

Das Maschinenmodell wird in der Simulation einfach über das virtuelle HMI bedient – ganz analog zur physischen Maschine.

Für Weckerle ist der digitale Zwilling auch deswegen so hilfreich, weil sich das Marktumfeld in den letzten Jahren deutlich gewandelt hat, erklärt Herrmann: „Für uns ist das Thema Time-to-Market ganz zentral – Aufgabenstellungen, die wir früher in zwölf oder mehr Wochen bearbeitet haben, müssen heute innerhalb von zwei Wochen fertig sein. Deswegen müssen wir in unseren Prozessen so arbeiten, dass schon der erste Entwurf einen hohen Reifegrad hat. Für diesen First-time-Right-Ansatz ist die Simulation am digitalen Zwilling unverzichtbar, da wir so Entwürfe frühzeitig und interdisziplinär verifizieren können.“ Noch dazu arbeitet Weckerle oft auf Basis von Prozessideen, die während des Projektes geändert werden, so Herrmann weiter: „Typischerweise entwickeln wir eine Anlage, ohne dass unsere Kunden uns genau sagen können, welches Produkt genau am Ende produziert werden soll – deswegen müssen wir in der Lage sein, diese Ungewissheit oder Unschärfe im Prozess zu berücksichtigen.“

Eine neue Maschine für FFP2-Masken – mit neuen Rahmenbedingungen

One example of this dynamic development process is a new machine for the production of FFP2 masks that Weckerle has recently developed. In this case, the customer decided to attach headbands to the masks instead of ear loops – „which is why we had to completely rethink the bonding process for attaching the bands,“ sEin Beispiel für diesen dynamischen Entwicklungsprozess ist eine neue Maschine für die Produktion von FFP2-Masken, die Weckerle vor kurzem entwickelt hat. Hier entschied sich der Kunde, anstatt Ohrschlaufen Kopfbänder an den Masken anzubringen – „weswegen wir den Schweißprozess für das Anbringen der Bänder komplett neu durchdenken mussten“, so Herrmann. Diese Designänderung simulierte Weckerle komplett am digitalen Zwilling und optimierte so nicht nur den Prozess und den Bauraum, sondern auch die eingesetzte Steuerungslösung, erklärt Martin Brunner, Softwareentwickler bei Weckerle: „Durch die Simulation mit PLCSIM Advanced haben wir den Einfluss der Zykluszeit auf die Performance des Gesamtprozesses analysiert und anhand dieser Überlegungen dann die SIMATIC S7-1516T als CPU gewählt. Dank dieser Optimierungen haben wir am Ende dann trotz des komplexeren Schweißprozesses für die Kopfbänder die geforderte Leistung von 60 Masken pro Minute übertroffen und können bis zu 65 Masken pro Minute produzieren.“ Was Martin Brunner dabei besonders beeindruckt hat, war die Aussagekraft der Simulation am digitalen Zwilling: „Bei der Zykluszeit haben wir die Werte aus der Simulation auch genau so an der Maschine gesehen, mit ganz geringen Abweichungen von wenigen Prozent. Das war sehr beeindruckend!“ 

Der Elektrokonstrukteur entwickelt das SPS-Programm komplett am und mit dem digitalen Zwilling und erreicht so eine sehr hohe Güte in der Programmierung.
Maximilian Herrmann, Director Design, Weckerle GmbH

Die Skepsis war am Anfang auch bei uns groß, ob der digitale Zwilling tatsächlich die Erwartungen erfüllt. Aber wir haben den Schritt gemacht und jetzt zeigt sich, dass die 20 oder 30 % Einsparungen, die immer wieder genannt werden, keine aus der Luft gegriffenen Zahlen sind, sondern Realität!

Abgestimmtes Paket für Automatisierung, Motion Control und Simulation

Für seine digitalen Zwillinge nutzt Weckerle NX Mechatronic Concept Designer (MCD) als 3D-Werkzeug, SIMIT als Testplattform für die Automatisierung und PLCSIM Advanced als virtuelle SPS. Über die Bus-synchrone Betriebsart wird eine Echtzeit-Simulation sichergestellt, sodass alle Komponenten den gleichen synchronisierten Simulationsfortschritt aufweisen. Weiter können die Taktzeiten in der Simulation variiert werden und sind nicht fix vorgegeben. Echtzeitfähigkeit der Simulation bietet die Möglichkeit Regler realistisch nachzubilden. Für Herrmann ist einer der Vorteile, dass diese Komponenten durch integrierte Schnittstellen perfekt ineinandergreifen und daher sehr einfach zu bedienen sind. Auch das Zusammenspiel der einzelnen Systeme ist, wie auch das einheitliche Engineering im TIA Portal, ein wichtiger Aspekt mit denen Weckerle die Time-to-Market seiner Anlagen weiter verkürzen kann. Dabei nutzt das Unternehmen im Engineering auch die entsprechenden Softwarebausteine aus den Motion-Bibliotheken von Siemens. „Damit lassen sich auch komplexe Funktionen wie ein Verbund mehrere Achsen einfach im TIA Portal projektieren – sowohl mit den Technologieobjekten im TIA Portal als auch über vorgefertigte Bibliotheksbausteine. Dadurch konnte ich für die FFP2-Maskenmaschine den Getriebe- bzw. Kurvenscheibengleichlauf ohne zusätzliche Software konfigurieren – das hat echt Spaß gemacht.“ Neben den SIMATIC S7-1500 Technologie-CPUs setzt Weckerle in seinen Maschinen seit kurzem auch die SINAMICS S210 Antriebe mit 1FK und 1FT Servomotoren ein. Diese neue Antriebslösung ergänzt nicht nur die Automatisierung perfekt, sondern spart auch noch Aufwand bei der Installation. „Wir haben oft mehr als 40 Servomotoren in unseren Anlagen. Die neue Antriebslösung kombiniert Leistungs- und Geberkabel in einer Leitung – allein das spart uns viel Zeit bei der Installation.“ Noch dazu hat Weckerle dank des breiten Siemens-Automatisierungsportfolios auch die Möglichkeit, sicherheitsgerichtete Signale zukünftig mit Safety Integrated auf der SPS zu implementieren. „Das ist vor allem für den Service wichtig, wenn etwa aufgrund von Umbauten an einer Maschine auch Sicherheitskreise verändert werden. Das können wir jetzt einfach in der Software anpassen, ohne großen Verdrahtungsaufwand vor Ort.“ 

Die Automatisierungslösung mit der SIMATIC S7-1516 Technologie – CPU wurde ebenfalls mit dem digitalen Zwilling optimiert
Die kompakten SINAMICS S210 Antriebe inklusive Ein-Kabel-Technik (OCC) sparen viel Platz und Zeit im Schaltschrank

Vorbereitet auf das Industrial Internet of Things

Im Fokus eines Projektes mit dem digitalen Zwilling war eine Maschine zur Maskenproduktion, bei der das Verschweißen der Kopfbänder optimiert wurde.

Bei der Integration in die Systeme des Anlagenbetreibers profitiert Weckerle von der Offenheit und Flexibilität der Siemens-Systeme. „Gerade im Bereich der Verpackung ist die Maschinen- und Linienintegration über PackML ein wichtiges Thema. Mit dem SiOME Tool von Siemens können wir die OPC UA-Server-Schnittstelle in der S7-1500 einfach so konfigurieren, dass der Client des Anwenders genau die Tags sieht, die er für seine Umsetzungen braucht.“ So kann Weckerle auch weitere Anlagendaten für MES- oder Cloudlösungen beim Anwender freigeben, etwa um die OEE-Berechnung zu ermöglichen. In einem weiteren Schritt will Weckerle für größere Anlagen ein SCADA-System auf Basis von SIMATIC WinCC Unified implementieren, um die Transparenz für den Anlagenbetreiber zu verbessern. „Und dann gibt es noch die Anforderung, dass wir die Energie- und Rohstoffbilanz unserer Anlagen dokumentieren sowie verbessern möchten. Dazu verfolgen wir konstruktive Ansätze – etwa die Ausführung in Profilbauweise – aber nutzen auch Messsysteme für das Energiedatenmonitoring, um den Verbrauch auf ein Produkt umlegen zu können.“

Mit den Technologieobjekten und über vorgefertigte Bibliotheksbausteine lassen sich auch komplexe Funktionen einfach im TIA Portal projektieren. Dadurch konnte ich den Getriebe- bzw. Kurvenscheibengleichlauf ohne zusätzliche Software konfigurieren – das hat echt Spaß gemacht.

Martin Brunner, Softwareentwickler, Weckerle GmbH

Simulation als Kernaspekt neuer Projekte

Im TIA Portal lassen sich auch komplexe Funktionen wie ein Verbund mehrere Achsen einfach projektieren.

Dem Team um Maximilian Herrmann gehen also weder die Ideen noch die Projekte so schnell aus – und dank des digitalen Zwillings werden diese Ideen bei Weckerle zukünftig noch schneller und effizienter Realität. „Wir sparen bei einer Neuentwicklung durch die Simulation rund 30 Prozent der Entwicklungszeit. Bei einem Projekt mit beispielweise sieben Antrieben und einer Steuerung ist die Virtualisierung innerhalb von 40 Wochenstunden erledigt. Von da an, kann der Elektrokonstrukteur sein SPS-Programm und somit gleichzeitig den digitalen Zwilling programmieren. Damit erreichen wir eine Güte in der Programmierung, durch die wir das Steuerungsprogramm in die reale Maschine laden können und die Anlage funktioniert sofort. Vor kurzem haben wir eine Maschine zur Produktion von Kompaktpuder in Betrieb genommen. Nach nur einem Tag Ramp-up lief die Maschine wie geplant.“ Zukünftig wird Weckerle daher alle neuen Entwicklungen an und mit dem digitalen Zwilling durchführen und plant, zusätzlich zu dem mechanischen und elektrischen Design, auch die Prozessseite mit in die Modelle zu integrieren. „Die Skepsis war am Anfang auch bei uns groß, ob der digitale Zwilling tatsächlich die Erwartungen erfüllt. Aber wir haben den Schritt gemacht und jetzt zeigt sich, dass die 20 oder 30 % Einsparungen, die immer wieder genannt werden, keine aus der Luft gegriffenen Zahlen sind, sondern Realität!“

Quelle